Eine Liste schöner Gedichte - moderne und auch Klassiker; sowohl lang als auch kurz. Was genau schön ist, liegt wie meistens im Auge des Betrachters. Reimen müssen sich schöne Gedichte nicht unbedingt, wenn durch den Inhalt eine angenehme Atmosphäre vermittelt wird.
Diese wunderschönen Gedichte zu verschiedenen Themen eigenen sich als Inspiration - Reime & Verse aus verschiedenen Kulturen & Epochen. Und dann haben wir noch die sehr gelungene Kategorie mit den Kindergedichten.
- Leise zieht durch mein Gemüt — Heine
- Frühling — Ringelnatz
- Wer je die Flamme umschritt — George
- Schöne Nacht — Busse
- Das trunkene Lied — Nietzsche
- Du, weißt du… — Meerbaum-Eisinger
- Nur wer die Sehnsucht kennt — Goethe
- Hochrot — Günderrode
- Hymne an die Schönheit — Hölderlin
- Ich denke Dein — Brun
- Mir ist zu licht zum Schlafen… — Arnim
- Die Schöne von hinten — Lessing
- Beschreibung vollkommener Schönheit — Hofmannswaldau
- Wie Melodien zieht es — Groth
Schönheit
Das Schöne oder die Schönheit ist ein abstrakter Begriff, der mit vielen Aspekten der menschlichen Existenz verbunden ist. Dieser Begriff wird hauptsächlich von der philosophischen Disziplin der Ästhetik untersucht, wird aber teilweise auch von anderen Bereichen (Geschichte, Soziologie, Psychologie, Kunst) behandelt.
„Für sich genommen ist eine Handlung weder schön noch schändlich. Zum Beispiel ist das, was wir gerade tun, trinken, singen, uns unterhalten, nichts davon ist an sich eine schöne Handlung; aber in der Art und Weise, wie diese Handlung ausgeführt wird, liegt die eine oder andere Qualifikation. Wenn sie mit Schönheit (kalos) und Rechtschaffenheit (orthos) ausgeführt wird, wird diese Handlung schön (kalon), und wenn die gleiche Handlung ohne Rechtschaffenheit ausgeführt wird, wird sie schändlich (aiskhron).“ (Bemerkung von Pausanias, einem Teilnehmer des Rednerwettstreits, im Symposion (Gastmahl) von Plato)
„Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet. Je mehr jemand die Welt liebt, desto schöner wird er sie finden.“ (Christian Morgenstern)
„Es gibt zwei Arten des Schönen: In der einen liegt Anmut, in der anderen liegt Würde.“ (Cicero)
„Schönheit ist keine Eigenschaft, die den Dingen selbst innewohnt, sie existiert nur im Geist, der sie betrachtet, und jeder Geist nimmt eine andere Schönheit wahr.“ (David Hume)
„Schön ist, was ohne Begriff allgemein gefällt.“ (Immanuel Kant; Kritik der Urteilskraft (KdU), 134; siehe zum Wort "Begriff" auch seine Aussage: "Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.")
Das Schöne wird gemeinhin als die Eigenschaft einer Sache definiert, die durch eine sinnliche (Wahrnehmung) oder intellektuelle Erfahrung ein Gefühl der Freude oder ein Gefühl der Befriedigung hervorruft; in diesem Sinne entsteht Schönheit beispielsweise durch Erscheinungsformen wie Form, Optik, Bewegung oder Klang.
Die Unterscheidung zwischen dem, was schön ist, und dem, was nicht schön ist, variiert je nach Epoche und Individuum.
- Ein deutscher Dichter bin ich einst gewesen — Herrmann-Neiße
- In Tränen geh ich nun allein — Mereau
- Abendstimmung — Müller-Jahnke
- Gemahnt dich noch das Schöne Bildnis dessen — George
- Sinkender Himmel — Zweig
- Lied des Harfenmädchens — Storm
- Willkommen und Abschied — Goethe
- Im Nachtzug — Hauptmann
- Die Biene — Kolmar
- Schöne Junitage — Liliencron
- Die Bürgschaft — Schiller
- Das Fräulein stand am Meere — Heine
- Vater werden ist nicht schwer — Busch
- Der Blick — Eichendorff
- Ich finde dich in allen diesen Dingen — Rilke
- Du bist min, ich bin din — Unbekannt
- Du meine Seele, singe — Gerhardt
- Wanderung zur Nacht — Klabund
- Osterspaziergang — Goethe
Brauch' ich schöner Worte Wendung?
Sind sie nötig? Sind sie's hier?
Nein, verständlich ist die Sendung,
Und die Sendung redet dir.
Karl Leberecht Immermann (1796 - 1840) war ein deutscher Schriftsteller, Lyriker und Dramatiker. Quelle: An meinen Bruder Ferdinand; Zueignung im Buch "Gedichte".
… aber leiten
Zu dem ewig Guten, ewig Schönen,
Ist der Götter Werk; die lasst gewähren.
Ach, warum, ihr Götter, ist unendlich
Alles, alles, endlich unser Glück nur!
Quelle: Goethe, Pandora. Fragment, 1810. Goethe hat die Fortsetzung des klassizistischen Stücks zugunsten der "Wahlverwandtschaften" aufgegeben.
Übrigens: auf unserem Schwesterprojekt finden sie stimulierende Schöne Zitate — fein säuberlich nach Autoren und Themen sortiert.
Poesie
Die Poesie (von griechisch poiesis, d.h. "Schöpfung") ist eine Kunstform, die durch die Wahl und Kombination von Wörtern nach bestimmten metrischen Gesetzen eine Komposition aus Sätzen, den sogenannten Versen, schafft, in denen die semantische Bedeutung mit dem musikalischen Klang der Phoneme verbunden ist. Die Poesie hat daher einige Qualitäten der Musik und schafft es, Konzepte und Stimmungen auf anschaulichere und kraftvollere Weise zu vermitteln als die Prosa, in der die Worte nicht der Metrik unterliegen.
Die Sprache in der Poesie hat eine doppelte Funktion: - Bedeutungsvektor - mit informativem und emotionalem Inhalt; - Klangvektor. Um diese doppelte Funktion wirksam zu erfüllen, können Syntax und Orthographie gegenüber den Normen des Standard-Deutsch (die so genannten poetischen Lizenzen) variieren, wenn dies für die Vermittlung der Botschaft funktional (nicht nur ästhetisch) ist.
Zu diesen beiden Aspekten der Poesie kommt ein dritter hinzu, wenn ein Gedicht nicht direkt gelesen, sondern gehört wird: Mit seiner Körpersprache und seinem Lesestil interpretiert der Vorleser den Text und fügt die theatralische Dimension von Diktion und Schauspiel hinzu. In der Antike - und auch heute noch in vielen Kulturen - werden Poesie und Musik oft kombiniert, so auch in den deutschen Kunstliedern, Gedichten in Form von Liedern, die von eigens komponierter Musik begleitet werden.
Diese enge Vermischung von Bedeutung & Klang macht es äußerst schwierig, ein Gedicht in andere Sprachen als das Original zu übersetzen, da der ursprüngliche Klang und Rhythmus unwiederbringlich verloren gehen und durch eine Anpassung in der neuen Sprache ersetzt werden müssen, die meist nur eine Annäherung an das Original darstellt. Diese besonderen kritischen Aspekte der Lyrik-Übersetzung führen häufig zu einer Erweiterung der Rolle und der Kompetenzen des Übersetzers, auch in Bezug auf die redaktionelle Planung und die Arbeit bei der Erstellung von Sammlungen und Reihen übersetzter Lyrik.
Es wohnt Genuss im dunklen Waldesgrün,
Entzücken weilt auf unbetretner Düne,
Gesellschaft ist, wo alles menschenleer,
Musik im Wellenschlag am ewigen Meer,
die Menschen lieb ich, die Natur noch mehr.
George Gordon Byron (1788 - 1824), bekannt als Lord Byron, war ein britischer Dichter. Er gilt als einer der wesentlichen Vertreter der englischen Romantik und war bekannt als Dandy. Er war der Vater der Mathematikerin Ada Lovelace. Das Gedicht wird zu Anfang des Filmes „Into the Wild“ (2007) eingeblendet.
Du meiner Seele schönster Traum!
Du meiner schönsten Träume Seele!
Du Herz, dem ich mein Heil befehle!
Du Heil, wie ich es ahnte kaum!
Du meines Lebens schönstes Lied!
Du schönes Leben meiner Lieder!
Aus Lied und Leben klingen wieder,
Was deine Liebe mir beschied.
Du meines Lenzes Blüt' und Duft!
Du Lenz, dem reich mein Herz erblühet!
Du Stern, der mir am Himmel glühet,
Mein Himmel du voll Glanz und Luft!
O lass um deine Stirne gern
Der Liebe Glorie mich weben,
Mein Himmel du, mein Lenz, mein Leben!
Mein Heil, o du mein Lied, mein Stern!
Peter Carl August Cornelius (1824 - 1874) war ein deutscher Komponist und Dichter.
Schöner sind die Gedichte des Glücks.
Wie die Blüte schöner ist als der Stengel
der sie doch treibt
sind schöner die Gedichte des Glücks.
Wie der Vogel schöner ist als das Ei
wie es schön ist wenn Licht wird
ist schöner das Glück.
Und sind schöner die Gedichte
die ich nicht schreiben werde.
Hilde Domin (geb. Löwenstein, nach ihrer Heirat Hilde Palm genannt; 1909 - 2006) war eine deutsche Schriftstellerin, Fotografin und Übersetzerin.
Sie war jüdischer Abstammung und lernte 1931 ihren späteren jüdischen Ehemann Erwin Walter Palm kennen. Das Paar beschloss 1932, nach Italien auszuwandern, wo sie in Rom studierten. Als ausländische Juden 1939 gezwungen wurden, Italien zu verlassen, ging sie über Frankreich nach Großbritannien. Im Juni 1940 floh sie vor dem drohenden Krieg aus London und ging über Kanada in die Dominikanische Republik. 1954 kehrte sie nach Deutschland zurück und ließ sich in Heidelberg nieder, hielt sich aber auch regelmäßig in Miraflores de la Sierra bei Madrid auf.
Sie starb im Alter von über 96 Jahren in einem Heidelberger Krankenhaus an den Komplikationen eines Beinbruchs nach einem Sturz.
Prosodie
In der Linguistik befasst sich die Prosodie mit Elementen der Sprache, die nicht aus einzelnen phonetischen Segmenten (Vokalen und Konsonanten) bestehen, sondern Eigenschaften von Silben und größeren Einheiten der Sprache sind, einschließlich sprachlicher Funktionen wie Intonation, Betonung und Rhythmus.
Die Prosodie kann Merkmale des Sprechers oder einer Äußerung widerspiegeln: ihren emotionalen Zustand; die Form der Äußerung (Aussage, Frage oder Befehl); das Vorhandensein von Ironie oder Sarkasmus; Betonung, Kontrast und Fokus. Sie kann Elemente der Sprache widerspiegeln, die nicht durch die Grammatik oder die Wahl des Vokabulars kodiert sind.
Es gibt keine einheitliche Anzahl von prosodischen Variablen. In auditiver Hinsicht sind die wichtigsten Faktoren:
- die Tonhöhe der Stimme (zwischen tief und hoch variierend)
- die Länge der Laute (zwischen kurz und lang)
- die Lautstärke oder Prominenz (variiert zwischen leise und laut)
- Klangfarbe oder Stimmqualität (Qualität des Klangs)
In der Akustik entsprechen die obigen Faktoren in etwa den Begriffen:
- der Grundfrequenz (gemessen in Hertz, oder Zyklen pro Sekunde)
- Dauer (gemessen in Zeiteinheiten wie Millisekunden oder Sekunden)
- Intensität oder Schalldruckpegel (gemessen in Dezibel)
- spektrale Eigenschaften (Verteilung der Energie in verschiedenen Teilen des hörbaren Frequenzbereichs)
- Goll
- Ernst Goll (1887 - 1912) war ein österreichischer Dichter. Er studierte zunächst 3 Semester Jura, dann Germanistik und Romanistik an der Universität Graz. Nach privaten Konflikten im Sommer 1912 stürzte er sich aus dem zweiten Stock der Universität in den Tod.
- Fasst du das Wunder?
- Zwei Lichtlein
- Abend
- Abschied
- Augen schließen sich gelind
Aber uns’re Gläser her
Kommt ein Duft von weißen Nelken,
Blüte, die schon leise welken –
Lider werden feucht und schwer.
Augen schließen sich gelind,
Augen, die schon müde werden,
Augen, die noch halb auf Erden
Und schon halb im Himmel sind. - Kästner
- Erich Kästner (1899 - 1974) war ein deutscher Schriftsteller, Lyriker, Drehbuchautor und Satiriker, der vor allem für seine humorvollen, sozialkritischen Gedichte und für Kinderbücher wie "Emil und die Detektive bekannt" ist. Für seine Autobiografie "Als ich ein kleiner Junge war" (1957) erhielt er 1960 die internationale Hans-Christian-Andersen-Medaille. Sechsmal wurde er für den Literaturnobelpreis nominiert - den er aber nie erhielt.
- Sachliche Romanze
- Die Entwicklung der Menschheit
- Besuch vom Lande
- Vorstadtstraßen
- Die Wälder schweigen
- Kästner hat seinen Entschluss, nicht zu emigrieren, später so kommentiert:
„Ich bin ein Deutscher aus Dresden in Sachsen.
Mich lässt die Heimat nicht fort.
Ich bin wie ein Baum, der – in Deutschland gewachsen –
wenn’s sein muss, in Deutschland verdorrt.“ - Kempner
- Friederike Kempner (1828 - 1904) war eine deutsch-jüdische Schriftstellerin (zeitlebens unverheiratet). Zu ihrer Zeit war sie als Autorin von Streitschriften, Novellen, Dramen und vor allem von Gedichten bekannt. Die Literaturkritik erklärte Kempner zur Großmeisterin der unfreiwilligen Komik und sie trug die Titel „schlesische Nachtigall“ und „schlesischer Schwan“. Wobei ihr Humor einen deutlich historischen Bezug hat, der heute manchmal nur schwer nachvollziehbar ist.
- Frühling
- Das Meer
- Der Himmel ist blau
Poesie ist Leben,
Prosa ist der Tod,
Engelein umschweben,
Unser täglich Brot.
Und sie schrieb und schrieb so lange,
Bis sie keine Macht mehr stoppte.
Leider nicht viel von Belange
weshalb man sie später foppte.
Ob auch Köter bellen
Und mir Fallen stellen,
Ich kümm’re mich drum nicht
Und mach‘ ein hübsch‘ Gedicht!
Frieden
Immer kämpfen, immer streiten
Und das lohnt doch wahrlich nicht –
Und das Recht hat viele Seiten,
Und der Friede, er ist Pflicht. - Hesse
- Hermann Hesse (1877 - 1962; Pseudonym: Emil Sinclair) war ein deutscher Schriftsteller, Dichter, Romancier und Maler, der 1924 als Schweizer eingebürgert wurde und 1946 den Nobelpreis für Literatur erhielt. Bekanntheit erlangte er mit Prosawerken wie "Siddhartha", "Narziß und Goldmund", "Der Steppenwolf", "Demian", "Das Glasperlenspiel" sowie mit seinen Gedichten.
Bis zum hundertsten Jahrestag seiner Geburt wurden mehr als 200 Doktorarbeiten, etwa 5000 Fachartikel und 50 Bücher über sein Leben geschrieben. Zu diesem Zeitpunkt war er auch der meistgelesene Europäer in den Vereinigten Staaten und Japan, und seine Bücher waren in mehr als 40 Sprachen übersetzt worden, die indischen Dialekte nicht mitgerechnet. - Stufen
- Glück
- Im Nebel
- Julikinder
- Vergänglichkeit
- Das Leben, das ich selbst gewählt (fälschlicherweise zugeschrieben)
- "Der Aphorismus ist so etwas wie ein Edelstein, der durch Seltenheit an Wert gewinnt und nur in winzigen Dosen ein Genuss ist."
"Es ist mit dem Lesen wie mit jedem anderen Genusse: er wird stets desto tiefer und nachhaltiger sein, je inniger und liebevoller wir uns ihm hingeben. Man muß seine Bücher als Freunde und Lieblinge behandeln, jedes in seiner Eigenart schätzen und nichts von ihm verlangen, was dieser Eigenart fremd ist." - Paoli
- Betty Paoli (1814- 1894) war eine österreichische Lyrikerin, Novellistin, Journalistin und Übersetzerin. Sie war auch eine Freundin von Marie Ebner von Eschenbach und eine wichtige Figur der frühen Frauenbewegung.
- Ich (kann, was ich muss)
- Carpe diem!
- Im Winter
- Stoecklin
- Francisca Stoecklin (1894 - 1931) war eine Schweizer Schriftstellerin und Künstlerin. Einer ihrer Brüder, der Maler Niklaus Stöcklin (1896 - 1982) gilt als Schweizer Hauptvertreter der "Neuen Sachlichkeit" und des "Magischen Realismus". Die Themen ihrer Lyrik sind Traum, Liebe, Tod und Natur. Sie starb, nach einjährigem Aufenthalt im St. Claraspital (Basel), an einem Herzleiden.
- Bäume
- De Profundis
Regen
Geht ein grauer Mann
Durch den stillen Wald,
Singt ein graues Lied.
Die Vöglein schweigen alsbald.
Die Fichten ragen so stumm und schwül
Mit ihrem schweren Astgewühl.
In fernen Tiefen
Vergrollt ein Ton. —
Johannes Schlaf (1862 - 1941) war ein deutscher Dramatiker, Erzähler und Übersetzer und bedeutender Vertreter des deutschen Naturalismus. Als Übersetzer trug er entscheidend zur Verbreitung der Werke von Walt Whitman und Émile Zola im deutschsprachigen Raum bei.
Erfüllung
Wie selig nun die Tage fliehn,
Wie still die Nacht, wie still die Nacht,
Und übers Herz die Träume ziehn
In lichter Märchenpracht.
Ich weiß nichts mehr von Welt und Zeit,
Nur dass ich dein, nur dass ich dein,
Doch Tag und Nacht und Ewigkeit
Schließt dieses Wörtchen ein.
Gustav Renner, 1866-1945, deutscher Erzähler, Dramatiker und Lyriker
Ruhe
Vom grünen Ufer schau' ich hinunter;
Wie träge schlummert die breite Flut.
Der Wind steht stille, der sonst so munter;
Nur Schweigen ringsum, die Welle ruht.
Gefühllos Alles vor meinen Blicken,
Nichts will sich rühren dort im Geäst.
Die Blätter schlafen und träumen und nicken,
Der Vogel schlummert im kleinen Nest.
O Fluch dem matten, dem trägen Frieden!
So heule, Sturm, doch mit wilder Lust!
Uns sei Orkan nur und Flut beschieden,
Der öden Weite und meiner Brust!
Theodor Șerbănescu (1839 - 1901) war ein in Moldawien geborener rumänischer Offizier und Dichter. Übersetzung: Elisabeth zu Wied (1843 - 1916 ) war durch Heirat Königin von Rumänien und unter dem Pseudonym Carmen Sylva Schriftstellerin.
Die Sachverständigen
Dass du nicht merkst, woran man darbe,
verprasst man es in einem fort:
Die Blinden reden von der Farbe,
die Tauben reden von dem Wort;
die Lahmen lehren, wie man tanze,
die Huren, wie man Andacht treibt.
Kurz, Rezensenten gehn aufs Ganze
und können sagen, wie man schreibt.
Karl Kraus
Acht-Punkte-Proklamation des poetischen Actes
Es gibt einen Satz, der unangreifbar ist, nämlich der, dass man Dichter sein kann, ohne auch
irgendjemals ein Wort geschrieben oder gesprochen zu haben.
Vorbedingung ist aber der mehr oder minder gefühlte Wunsch, poetisch handeln zu wollen.
Die alogische Geste selbst kann, derart ausgeführt, zu einem Act ausgezeichneter
Schönheit, ja zum Gedicht erhoben werden. Schönheit allerdings ist ein Begriff, der sich hier
in einem sehr geweiteten Spielraum bewegen darf.
- Der poetische Act ist jene Dichtung, die jede Wiedergabe aus zweiter Hand ablehnt, das heißt, jede Vermittlung durch Sprache, Musik oder Schrift.
- Der poetische Act ist Dichtung um der reinen Dichtung willen. Er ist reine Dichtung und frei von aller Ambition nach Anerkennung, Lob oder Kritik.
- Ein poetischer Act wird vielleicht nur durch Zufall der Öffentlichkeit überliefert werden. Das jedoch ist in hundert Fällen ein einziges Mal. Er darf aus Rücksicht auf seine Schönheit und Lauterkeit erst gar nicht in der Absicht geschehen, publik zu werden, denn er ist ein Act des Herzens und der heidnischen Bescheidenheit.
- Der poetische Act wird starkbewußt extemporiert und ist alles andere als eine bloße poetische Situation, die keineswegs des Dichters bedürfte. In eine solche könnte jeder Trottel geraten, ohne es jemals gewahr zu werden.
- Der poetische Act ist die Pose in ihrer edelsten Form, frei von jeder Eitelkeit und voll heiterer Demut.
- Zu den verehrenswürdigsten Meistern des poetischen Actes zählen wir in erster Linie den satanistisch-elegischen C. D. Nero und vor allem unseren Herrn, den philosophisch-menschlichen Don Quijote.
- Der poetische Act ist materiell vollkommen wertlos und birgt deshalb von vornherein nie den Bazillus der Prostitution. Seine lautere Vollbringung ist schlechthin edel.
- Der vollzogene poetische Act, in unserer Erinnerung aufgezeichnet, ist einer der wenigen Reichtümer, die wir tatsächlich unentreißbar mit uns tragen können.
Autor: Hans Carl Artmann (1921 - 2000) war ein österreichischer Schriftsteller. Seine Romane, Lyrik und Erzählungen sind geprägt von einem leisem Surrealismus und einem vom Dadaismus beeinflussten Spiel mit der Sprache.
Als Theoretiker trat er 1953 mit seiner „Acht-Punkte-Proklamation des poetischen Actes“ hervor.
1973 gründete er „Anti P.E.N.“. Er war Präsident und Gründungsmitglied der Grazer Autorenversammlung, aus der er 1978 wieder austrat. Artmann erhielt zahlreiche Preise und Ehrungen, unter anderem die Ehrendoktorwürde der Universität Salzburg (1991), den Großen Österreichischen Staatspreis (1974) sowie den Georg-Büchner-Preis (1997).
In seinen Werken lassen sich Traditionen der europäischen Poesie vom Barock bis ins 20. Jahrhundert erkennen. Er publizierte auch mundartliche Gedichte mit scheinbar volkstümlichem Charakter sowie Lautgedichte.
mein herz
mein herz ist das lächelnde kleid eines nie erratenen gedankens
mein herz ist die stumme frage eines bogens aus elfenbein
mein herz ist der frische schnee auf der spur junger vögel
mein herz ist die abendstille geste einer atmenden hand
mein herz liegt in glänzend weissen kästchen aus musselin
mein herz trinkt leuchtend gelbes wasser von der smaragdschale
mein herz trägt einen seltsamen tierkreis aus zartestem gold
mein herz schlägt fröhlich im losen regnen der mittwintersterne.
meine hoffnung
meine hoffnung ist der wehende mantel eines gehetzten passanten
meine hoffnung ist der unterdrückte schrei eines kindes in der nacht
meine hoffnung ist der wirbelnde staub im lichtstrahl der sonne
meine hoffnung ist das leise summen eines einsamen telegrafenmasts
meine hoffnung träumt im schilf eines grünschimmernden teichs
meine hoffnung trinkt honig aus dunklen blütenkelchen
meine hoffnung zieht eine leuchtspur durch den leeren himmel
meine hoffnung schlägt ein rad über grauen asphalt.
H. C. Artmann
Zwischen einer gepflückten Blume
und der geschenkten - das Unausdrückbare Nichts.
Und in der Lyrik erkennt man
die Brüchigkeit der Realität auch… oder auch nicht…
Giuseppe Ungaretti (1888 - 1970) war ein italienischer Dichter der Moderne. Er frönte kurzzeitig dem Dadaismus entwickelte dann aber den Hermetismus als eine persönliche Auffassung von Poesie. Nachdem er mehrere Jahre in Brasilien verbracht hatte, kehrte er während des Zweiten Weltkriegs in seine Heimat zurück und erhielt einen Lehrauftrag an der Universität von Rom, wo er die letzten Jahrzehnte seines Lebens verbrachte.