GedichtGedichte

Das Gedicht „Sonett 29“ stammt aus der Feder von William Shakespeare.

Wenn ich, zerfallen mit Geschick und Welt,
Als Ausgestoßner weinend mich beklage,
Umsonst mein Flehn zum tauben Himmel gellt,
Und ich verzweifelt fluche meinem Tage, -

Dann wär' ich gern wie andre hoffnungsreich,
So schön wie sie, bei Freunden so beliebt,
An Kunst und hohem Ziele manchem gleich,
Freudlos mit dem, was mir das Schicksal gibt.

Veracht' ich mich beinah in den Gedanken,
So denk' ich dein, dann steigt mein Geist empor
Der Lerche gleich von trüber Erde Schranken

Und jauchzt im Frührot an des Himmels Tor.
In deiner Liebe fühl' ich mich so reich,
Daß ich nicht tausche um ein Königreich!

Übersetzt von Max Joseph Wolff

 

Wenn ich, vom Glück verschmäht und Menschenblicken,
Mein ausgestoßnes Dasein still bewein',
Und, mich betrachtend, fluche den Geschicken,
Daß taub der Himmel bleibt bei meinem Schrei'n,

Und wünsch', ich wär an Hoffnungen so reich
Wie mancher, so befreundet, so geboren,
In Kunst, in Freiheit dem und jenem gleich,
Am mind'sten froh bei dem, was ich erkoren:

Doch – denk' in solchem Selbstverachtungstraum
Von ungefähr ich deiner, jauchzt mein Leben
Wie Lerchen, die vom dumpfen Erdenraum

Frühjubelnd sich zum Himmelstore heben.
So macht Erinnrung an dein Lieben reich,
Daß ich's nicht hingäb' um ein Königreich.

Übersetzt von Gottlob Regis

 

Wenn mit den Menschen und dem Glück entzweit
Ich einsam wein' ob meines Schicksals Tücke,
Daß laut mein Schmerz zum tauben Himmel schreit,
Ich blick auf mich und fluche dem Geschicke.

Dann wünsch' ich mich gleich jenem reich an Gut,
Wie dieser schön, an Freunden reich wie der,
Verlang' des einen Kunst, des andern Muth,
Was sonst mein Bestes freut mich dann nicht mehr.

So kann, im trüben Sinn, ich selbst mich schmäh'n,
Doch, denk ich Dein, schwingt sich mein Geist empor,
(Der Lerche gleich, die zu des Himmels Höh'n

Vom Boden steigt) und singt am Himmelsthor.
Denn Deine Lieb' giebt mir so süße Freuden
Selbst Kön'ge, scheint mir, sollten mich beneiden.

Übersetzt von Dorothea Tieck

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