GedichtGedichte

Das Gedicht „Es ist alles eitel“ stammt aus der Feder von Andreas Gryphius.

Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden,
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein;
Wo jetzund Städte stehn, wird eine Wiese sein,
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.

Was jetzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden;
Was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch und Bein;
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.

Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehn?
Ach, was ist alles dies, was wir vor köstlich achten,

Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind,
Als eine Wiesenblum, die man nicht wieder findt!
Noch will, was ewig ist, kein einig Mensch betrachten.

Analyse

Das Sonett "Es ist alles eitel" (1637; Epoche des Barock) besteht aus 4 Strophen: die erstem beiden mit 4 Versen und die letzten beiden mit 3 Versen (es folgt also der klassischen Form des Sonetts: 2 Quartette und 2 Terzette).
Das Reimschema ist [abba abba ccd eed]. Die Quartette bestehen aus einem umschließenden Reim, die Terzette beginnen mit einem Paarreim und werden in ihrem dritten Vers reimmäßig verbunden (Schweifreim). Das Versmaß ist ein Alexandriner, ein sechshebiger jambischer Vers mit 12 bzw. 13 Silben. Die Kadenzen folgen dem Reimschema: a und d enden mit einer weiblichen Kadenz, b, c und e mit einer männlichen Kadenz.

Inhalt / Zusammenfassung

Die ersten beiden Strophen beschreiben den Verfall aufgrund der Eitelkeit der Menschen sowie die Zerstörung des Schönen. In der zweiten Strophe behandelt er ebenfalls die Thematik der Vergänglichkeit und die Zerstörung alles Schönen. Die dritte Strophe behandelt die Vergänglichkeit (u.a. des Ruhms) und die vierte Strophe behandelt die Themen Nichtigkeit & Ewigkeit.
Ein lyrisches Ich ist nicht auszumachen, statt dessen wird der Leser direkt in der zweiten Person Singular angesprochen.

Hintergrund

Das Gedicht entstand 11 Jahre vor dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs (1618 bis 1648) und unter dem Eindruck der massiven Verwüstung, die dieser Religionskrieg verursachte.

Das zentrale Thema des Gedichts ist das Vanitas-Motiv (siehe auch Vanitas! Vanitatum Vanitas!): Damit soll dargestellt werden, dass der Mensch keine Gewalt über das Leben hat. Aus der Perspektive der Vanitas-Rhetorik ist ein gottgewolltes Werden und Vergehen nichts Negatives.

Das lateinische Wort "Vanitas" bedeutet damals auf Deutsch „leerer Schein, Nichtigkeit, Eitelkeit“ aber auch „Prahlerei, Misserfolg oder Vergeblichkeit“.
Der Schwerpunkt der Bedeutung verstand sich damals also nicht im Sinne von „Einbildung, Selbstgefälligkeit“ und so ähnlich, wie es heute als Charaktereigenschaft verwendet wird; die heutige Bedeutung ist allerdings aus der früheren entstanden, denn wer sich auf nichtige, vergängliche Dinge (z.B. Schönheit) etwas einbildet, ist.
Im Englischen stammen die Begriffe "wane, vanish, vacant, vacation, vacuum, void, waste" von derselben sprachlichen Wurzel.

In der jüdisch-christlichen Vorstellung beschreibt es die Vergänglichkeit alles Irdischen. Diese wird u.a. im Buch Kohelet (Prediger Salomo) im Alten Testament behandelt. Die Übersetzung durch Martin Luther von Koh 1,2 LUT mit „Es ist alles eitel.“ verwendet „eitel“ im damaligen Sinne von „nichtig“ - inzwischen hat sich die Wortbedeutung von „eitel“ jedoch in Richtung „Gefallsucht“ verschoben.

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