GedichtGedichte

Das Gedicht „Ich bin der Weg gen Untergang“ stammt aus der Feder von Itzik Manger.

Ich bin der Weg gen Untergang,
der blonde Sonnentod,
der braune Hirtenpfeifenklang,
das müde Abendrot.

Mein Bruder, geh du mir nicht nach,
mein Gehn ist nur Vergehn -
häng deinen jungen Glauben nicht
an meine blaue Trän'!

Meine Schönheit ist ein Messer,
sie stößt dir durch das Herz.
In Wein getaucht zwei Lippen:
mein ewig blauer Schmerz.

Meine Sehnsucht - ein Zigeuner
in wildem Windgebell -
eine tote weiße Mutter
auf dunkler Abendschwell'.

Mein Bruder, geh du mir nicht nach,
mein Gehn ist nur Vergehn -
häng deinen jungen Glauben
nicht an meine blaue Trän'!

Meine Lust - eine junge Nonne,
sie steht nackt beim Altar,
und ihre heißen Brüste
blühn ihrem blonden Narr.

Mein Glück - ein Regenbogen,
der im Sonnengolde blitzt
und immer bereit ist zu sterben,
noch eh' man ihn besitzt.

Mein Haß - ein wilder Reiter,
der hält in der Hand ein Seil.
Nur, statt des Feindes würgt er
das eigene Glück in der Eil'.

Mein Bruder, geh du mir nicht nach,
mein Gehn ist nur Vergehn -
häng deinen jungen Glauben
nicht an meine blaue Trän'!

Aus dem Jiddischen ins Deutsche übersetzt von Selma Meerbaum-Eisinger.

Anmerkung: Itzik Manger (1901 – 1969) war ein bekannter jiddischer Dichter und Dramatiker, der sich selbst als Volksbarde, Visionär und „Meister-Schneider“ des geschriebenen Wortes bezeichnete.
Außerhalb des jiddischen Sprachraumes wurde Itzik Manger wenig wahrgenommen. Alfred Margul-Sperber übersetzte 1932 erstmals einige Balladen ins Deutsche, ebenso Rose Ausländer. Auch Mascha Kaléko übersetzte einige Gedichte aus dem Band "Chumesch-lider".

 

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