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Das Gedicht „An eine Jungfrau“ stammt aus der Feder von Andreas Gryphius.

Hochdeutsch

Was ist Eur zarter Mund? Ein Köcher voller Pfeile,
Dadurch manch weiches Hertz wird bis in Tod verletzt.
Der hellen Augen Glanz ist Flammen gleich geschätzt,
An welchem jeder sich verbrennt in kurzer Weile.

Die wunderschönen Haar sind lauter Liebes-Seile.
Wer durch der Stirnen Glanz nicht wird in Euch verhetzt,
Wer sich den Lilien des Halses widersetzt,
Muss doch gewärtig sein, dass ihn der Blitz ereile,

Der von der bloßen Brust herstrahlt so unverdeckt.
So sprecht Ihr, und ist wahr, wer voll von Zunder steckt,
In dem kann auch ein Funk leicht großes Feu’r erregen.

Wer aber bei sich selbst, dies was Ihr so hoch acht’,
Die schöne Nichtigkeit, und was Ihr seid betracht’,
Den sollt Ihr, glaubt mir’s fest, zu keiner Brunst bewegen.

Original

Was ist Ewr zarter Mund? ein Köcher voller Pfeile/
Dardurch manch weiches Hertz wird biß in Todt verletzt/
Der hellen Augen glantz/ ist flammen gleich geschätzt/
An welchem jeder sich verbrent in kurtzer weile/

Die wunderschönen Haar sind lauter Liebes-Seyle.
Wer durch der Stirnen glãtz/ nicht wird jn Euch verhetzt;
Wer sich den Lilien des Halses wiedersetzt/
Muß doch gewertig seyn/ daß Ihn der Plitz ereyle/

Der von der blossen Brust herstralt so vnverdeckt/
So sprecht Ihr/ vnd ist war/ wer voll von Zunder steckt/
In dem kan auch ein Funck leicht grosses Fewr erregen.

Wer aber bey sich selbst/ diß was Ihr so hoch acht/
Die schöne Nichtigkeit/ vnnd was Ihr seyd/ betracht/
Den solt Ihr/ glaubt mirs fest/ zu keiner Brunst bewegen.

XXXV.

Ob zwar eur eigen Lob hier gar nicht ist zu schauen /
So nemmt doch von mir an / was dieser Feder Pflicht
Und meine Pieris hat andern aufgericht /
Die ihr nur übertrefft / O Krone der Jungfrauen.

Die Schranken sind zu klein; dem heiligen Vertrauen /
Der Demut / der Vernunft / der Tugend hellem Licht
Dem keusch und sittsam sein / dem himmlischen Gesicht
Kann in so kurzer Schrift ich kein’ Altar aufbauen.

Und fing ich dennoch an / wo bliebe der Verstand
Die Jugend / das Geschlecht / des hohen Glückes Pfand /
Der Mutter Freundlichkeit / des Vatern hohe Sinnen

Und beider teurer Ruhm / der ganz euch einverleibt?
Und was noch mehr / ein Geist wie frei er immer schreibt?
Wie hoch er immer geht / nicht recht hat preisen können.

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