GedichtGedichte

Das Gedicht „Lied der Parzen“ stammt aus der Feder von Johann Wolfgang von Goethe.

Es fürchte die Götter
Das Menschengeschlecht!
Sie halten die Herrschaft
In ewigen Händen,
Und können sie brauchen,
Wies ihnen gefällt.

Der fürchte sie doppelt,
Den je sie erheben!
Auf Klippen und Wolken
Sind Stühle bereitet
Um goldene Tische.

Erhebet ein Zwist sich,
So stürzen die Gäste,
Geschmäht und geschändet,
In nächtliche Tiefen
Und harren vergebens,
Im Finstem gebunden,
Gerechten Gerichtes.

Sie aber, sie bleiben
In ewigen Festen
An goldenen Tischen.
Sie schreiten vom Berge
Zu Bergen hinüber:

Aus Schlünden der Tiefe
Dampft ihnen der Atem
Erstickter Titanen,
Gleich Opfergerüchen,
Ein leichtes Gewölke.

Es wenden die Herrscher
Ihr segnendes Auge
Von ganzen Geschlechtern
Und meiden, im Enkel
Die ehmals geliebten,
Still redenden Züge
Des Ahnherrn zu sehn.

So sangen die Parzen;
Es horcht der Verbannte
In nächtlichen Höhlen,
Der Alte, die Lieder,
Denkt Kinder und Enkel
Und schüttelt das Haupt.

Siehe auch das Gedicht An die Parzen von Hölderlin.

Hintergrund

Das "Lied der Parzen" ist ein Teil von Goethes Drama "Iphigenie auf Tauris" (4. Aufzug; 5. Auftritt) und beschreibt die willkürliche Macht der Götter über das menschliche Schicksal. Iphigenie singt es in einer Situation, in der sie zwischen der Lüge (um ihre Freunde zu retten) und ihrem Ideal der Wahrheit wählen muss, und nutzt es zur Selbstermutigung und zur Festigung ihres moralischen Standpunkts.

Der Text wurde unter dem Titel "Gesang der Parzen" (1882) op. 89 für Chor und Orchester von dem Komponisten Johannes Brahms (1833–1897) vertont.

Die Parzen (lateinisch Parcae) sind in der römischen Mythologie die 3 Schicksalsgöttinnen, die den 3 Moiren der griechischen Mythologie entsprechen.
Sie bestimmen das Schicksal aller Menschen und weben für jeden Menschen von der Geburt bis zum Tod das Netz des Lebens. Ihre Entscheidungen sind unabänderlich und können auch von den Göttern nicht beeinflusst werden.

 

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