Das Gedicht „Freundliche Vision“ stammt aus der Feder von Otto Julius Bierbaum.
Nicht im Schlafe hab ich das geträumt,
Hell am Tag sah ich's schön vor mir:
Eine Wiese voller Margeriten …
Tief ein weißes Haus in grünen Büschen …
Götterbilder leuchten aus dem Laube …
Und ich geh mit einer, die mich lieb hat,
Ruhigen Gemütes in die Kühle
Dieses weißen Hauses, in den Frieden,
Der voll Schönheit wartet, dass wir kommen.
Segenschwerer Traum.
Mein Acker wogt, mein Weizen blüht …
Die Sonne scheint mir ins Gemüt …
In Ballen flieht der Sorgen Qualm …
Gedichte sprießen Halm an Halm …
Es wellt der Hoffnung Wiesengrün …
Der Liebe Sphinxenaugen glühn …
Ein schmerzlich Glück, duftwolkenschwer,
Drängt dunkelsamtenblau sich her
Und droht mir schwülend ins Gemüt …
Mein Acker wogt, mein Weizen blüht …
Hintergrund
Das Gedicht erschien zuerst in der Sammlung "Irrgarten der Liebe" (1901) und später in der Anthologie "Der neubestellte Irrgarten der Liebe um etliche Gänge und Lauben vermehrt. Verliebte, launenhafte, moralische und andere Lieder, Gedichte u. Sprüche" (1908) im Kapitel "Bilder und Träume".
Vertonung
Der Komponist Richard Strauss vertonte "Freundliche Vision" in seinem Op. 48 - zusammen mit 4 weiteren Gedichten von Karl Henckell. Ursprünglich hatte er die 5 Lieder für Gesang und Klavier komponiert. Im Jahr 1918 erstellte er auch eine Bearbeitung für Gesang und Orchester.
Das Lied hat gewisse Gemeinsamkeiten mit ‚Traum durch die Dämmerung‘, einschließlich einer Tonartverschiebung, hier zur Veranschaulichung des Kontrasts von Schlaf und Vision im Wachzustand.
Strauss wiederholt in den letzten beiden Zeilen Elemente aus dem Vorgänger „Und ich geh' mit Einer, die mich lieb hat“ und verdichtet den Text, der zuvor drei Zeilen in Anspruch nahm, zu „In den Frieden voll Schönheit“, gesungen über einen Tonika-Pedalpunkt nach demselben Muster wie das gesamte Lied.
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