GedichtGedichte

Das Gedicht „Abschied“ stammt aus der Feder von Else Lasker-Schüler.

I.

Aber du kamst nie mit dem Abend -
Ich saß im Sternenmantel.

… Wenn es an mein Haus pochte,
War es mein eigenes Herz.

Das hängt nun an jedem Türpfosten,
Auch an deiner Tür;

Zwischen Farren verlöschende Feuerrose
Im Braun der Guirlande.

Ich färbte dir den Himmel brombeer
Mit meinem Herzblut.

Aber du kamst nie mit dem Abend -
… Ich stand in goldenen Schuhen.

II.

Ich wollte dir immerzu
Viele Liebesworte sagen,

nun suchst du ruhlos
nach verlornen Wundern.

Aber wenn meine Spieluhren spielen
Feiern wir Hochzeit.

O deine süßen Augen
Sind meine Lieblingsblumen.

Und dein Herz ist mein Himmelreich ...
Laß mich hineinschaun.

Du bist ganz aus glitzernder Minze
Und so weich versonnen.

Ich wollte dir immerzu
Viele Liebesworte sagen,

Warum tat ich das nicht?

III.

Der Regen säuberte die steile Häuserwand.
Ich schreibe auf den weißen, steinernen Bogen
Und fühle sanft erstarken meine müde Hand
Von Liebesversen, die mich immer süß betrogen.

Ich wache in der Nacht stürmisch auf hohen Meereswogen!
Vielleicht entglitt ich meines Engels liebevoller Hand,
Ich hab die Welt, die Welt hat m i c h betrogen,
Ich grub den Leichnam zu den Muscheln in den Sand.

Wir blicken all zu einem Himmel auf, mißgönnen uns das Land? –
Warum hat Gott im Osten wetterleuchtend sich verzogen,
Vom Ebenbilde seines Menschen übermannt.

Ich wache in der Nacht stürmisch auf hohen Meereswogen!
Und was mich je mit seiner Schöpfung Ruhetag verband,
Ist wie ein spätes Adlerheer unstät in diese Dunkelheit geflogen.

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