Das Gedicht „Abend“ stammt aus der Feder von Ludwig Tieck.
Wie ist es denn, daß trüb und schwer
So alles kömmt, vorüberzieht,
Und wechselnd, quälend, immer leer,
Das arme Herz in sich verglüht?
Kaum gekommen
Soll ich scheiden,
Kaum entglommen
Löschen wieder
Alle Freuden,
Und der Leiden
Dunkle Wolke senkt sich nieder.
Aus den Lichtern in die Nacht,
Aus den Augen, die mir tagen,
Die mein ganzes Herz durchlacht,
Bin ich wieder allen Plagen,
Dem dürren Leben
Zurück gegeben.
Wie flücht'ge Augenblicke
Mein Glücke!
Wie lange, lange Dauer
Der Trennung düstre schwere Trauer! –
Zurück zu kehren
Und dich entbehren!
O als ich dich noch nicht gesehn,
Da durfte Sehnsucht bei mir sein,
Ein Hoffnungswind in meinen Wünschen wehn,
Die Zukunft war ein heller Schein:
Jetzt muss ich vom Erinnern kaufen,
Was ich kaum zerstreut empfand;
Wieder durch die wüsten Haufen,
Durch ein unbewohntes Land,
Soll ich irre, klagend, schweifen,
Und des Glückes goldne Streifen,
Auch die letzten, abgewandt.
Noch fühl' ich deine Hand,
Noch wie im Traume deine Küsse,
Noch folgen mir die holden Blicke,
Und die Empfindung, dass ich alles misse,
Bleibt bei mir zurücke.
O Hoffen, Schmachten, Liebesleid und Sehnen,
Wie dürst' ich nach den süßen Tränen!
O tröste mich doch, eitles Wähnen,
So leer du bist, so tot, so nichtig!
Verlaßt ihr alle mich so flüchtig?
O Gegenwart, wie bist du schnell!
Vergangenheit, wie bist du klein!
O Zukunft, wie wirst du unendlich sein!
Unendlich wie am Himmelsbogen
Die Sterne in die ew'gen Räume steigen,
So fühl' ich Stunden, Tage, Monden hergezogen,
Und durch mein tiefstes Sein das trübe Schweigen,
Um mich ein unvergänglich Meer von schwarzen Wogen,
Und ach! kein grünes Ufer will sich zeigen!
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